Eine Laptoptastatur mit zwei Händen eines Erwachsenen und einer Baby-Hand, die auf der Tastatur tippt.

Sorgearbeit besser verteilen: Es braucht einen Kulturwandel, um Equal Care zu erreichen

Gleichberechtigung hört nicht dort auf, wo Männer und Frauen zu gleichen Teilen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Vor allem im Bereich der Sorgearbeit gibt es noch viele Baustellen, die für echte Gleichberechtigung zu bewältigen sind. Ein Beitrag von Johanna Leibecke zum Equal Care Day am 29. Februar.

Ungleiche Verteilung von Care-Arbeit

Sorgearbeit – Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit – auch Care-Arbeit genannt, ist zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt. Ein sogenannter „Gender Care Gap“: Frauen verwenden im Durchschnitt wöchentlich 43,8 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Care-Arbeit als Männer. In konkreten Zahlen heißt das: Frauen leisten im Schnitt täglich 1 Stunde und 17 Minuten mehr unbezahlte Sorgearbeit [1]. Auch bei der Elternzeit zeigt sich ein großer Unterschied: Im Jahr 2022 nahmen bei Kindern unter 3 Jahren 45 Prozent der Mütter Elternzeit, aber nur 3 Prozent der Väter [2]. Die gute Nachricht ist: Der Anteil an Vätern, die Elterngeld beziehen, ist in den vergangenen Jahren insgesamt gestiegen: im Jahr 2022 lag er bei  20,9 Prozent, im Jahr 2022 bei 26,1 Prozent [3].

All diese Daten beziehen sich auf das binär gedachte Geschlechtersystem und Hetero-Paare. Für gleichgeschlechtliche Paare konnten Studien zeigen, dass dort Sorgearbeit deutlich egalitärer aufgeteilt ist.[4]

Die Unternehmenskultur als Faktor des Gender Care Gaps

Die Unternehmenskultur kann die Zurückhaltung von Vätern bei der Care-Arbeit deutlich beeinflussen: Oft würden Väter gerne eine längere Auszeit nehmen und sich auch während des Arbeitsalltags flexibler um die Kinder kümmern – doch Arbeitgeber erschweren die Umsetzung. Wird physische Präsenz etwa mit Leistungsbereitschaft gleichgesetzt, ist es für Berufstätige schwieriger, im Notfall mit dem Kind Zuhause zu bleiben. Auch informell erwartete Anwesenheit zu bestimmten Zeiten trotz formal vorhandenen flexiblen Arbeitszeiten hindert berufstätige Eltern daran, Zeit mit der Familie zu verbringen und die Kinder etwa zur Kita zu bringen oder sich um das Abendessen zu kümmern. Von Führungskräften wird oft erwartet, jederzeit, auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten, erreichbar zu sein.

Für männliche Beschäftigte kann es besonders schwer sein, sich von diesen Idealen abzugrenzen. Diese Erwartungen folgen einem impliziten Leitbild traditioneller Männlichkeit, in dem eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit und das Streben nach beruflichem Erfolg von großer Bedeutung sind [5]. Das erfolgt zum Nachteil der Frauen, die so weiterhin mehr Care-Arbeit übernehmen müssen.

Folgen der ungleichen Verteilung

Dadurch, dass Frauen deutlich mehr Zeit für Care-Arbeit aufwenden als Männer, arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit – ob sie sich freiwillig dafür entschieden haben oder nicht. Es sind deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit beschäftigt, was sich nicht nur auf die aktuellen Verdienstmöglichkeiten auswirkt, sondern auch auf die Altersvorsorge. Frauen beziehen in Deutschland eine um 59,6 Prozent geringere Rente als Männer – der sogenannte „Gender Pension Gap“ [6]. So sind Frauen häufiger von Altersarmut betroffen als Männer, und stehen öfter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Mann, der mehr verdient und Rente erhält.

Politischer Fokus zur Gleichstellung

Um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche politische Maßnahmen eingeführt: seit 2017 ist etwa das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Das hat zum Ziel, das gleiche Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. In einigen Wirtschaftsbereichen gilt eine Quote, andere Bereiche sind dazu verpflichtet, sich selbst ein Ziel zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen. Was bei vielen Maßnahmen auffällt, ist, dass es vor allem um eine Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen geht, die auf eine eigenständige finanzielle Absicherung zielt.

Um Care-Arbeit gleich zu verteilen, braucht es jedoch verschiedenste Schritte. Grundlegend braucht es einen Kulturwandel dahin, dass Gleichberechtigung nicht nur dann als erreicht gilt, wenn Männer und Frauen zu gleichen Teilen einer Erwerbsarbeit nachgehen, sondern dass Care-Arbeit als wertvolle und notwendige Arbeit im Mittelpunkt steht. Das würde sowohl zu höheren Gehältern in pflegenden oder Erziehungsberufen führen, als auch Männer dazu bewegen, sich mehr um Kinder, Pflegebedürftige und weitere Care-Aufgaben zu kümmern.

Auch könnte der Anteil der Partnermonate beim Elterngeld erhöht werden: Um Lohn- und Care-Arbeit gerecht aufzuteilen, würde es helfen, wenn die Arbeitszeit (vielleicht auch nur für eine bestimmte Phase) von beiden Elternteilen verringert werden kann, ohne dass es zu so starken Einkommenseinbußen kommt, dass sich die finanzielle Situation deutlich verschlechtert. Hier könnte auch eine andere Steuerpolitik helfen: durch das Ehegattensplitting werden nach wie vor männliche Familienernährer mit Ehefrauen in Mini- oder Teilzeitjob bevorzugt. Aber auch Unternehmen müssen mitspielen: Es braucht eine Arbeitskultur, in denen Mitarbeitenden vertraut wird, dass sie ihre Arbeit erledigen, auch wenn sie nicht von früh bis spät im Büro sitzen. Ein Verständnis dafür, dass es ein Leben neben der Arbeit gibt, für das die Mitarbeitenden noch genügend Energie haben möchten. Aber auch Männer müssen ihren Teil leisten, und dafür einstehen, dass sie anders leben und für ihre Familie da sein möchten.

Der Equal Care Day

Der Equal Care Day ist ein Aktionstag, der auf die Unsichtbarkeit, fehlende Wertschätzung und ungleiche Verteilung von Fürsorgearbeit aufmerksam macht. Diese Unsichtbarkeit soll durch die Wahl des 29. Februars als Equal Care Day verdeutlicht werden, da auch der 29. Februar regelmäßig ‚übergangen‘ wird.

 

[1] www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/02/PD24_073_63991.html

[2] www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/elternzeit.html

[3]  www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_123_22922.html

[4] www.gwi-boell.de/de/2017/11/27/eindeutige-faktenlage

[5] Possinger 2015

[6] www.bmfsfj.de/resource/blob/93950/422daf61f3dd6d0b08b06dd44d2a7fb7/gender-pension-gap-data.pdf

Veröffentlicht am: | Autorin : Johanna Leibecke

Autorin
Johanna Leibecke

Johanna Leibecke ist Studentische Mitarbeiterin in der Öffentlichkeitsarbeit.

Mehr über Johanna Leibecke.

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